Ein schönes Wort, etwas seltsam vielleicht. Ein Wort, das man nicht richtig übersetzen kann, wenigstens nicht ins englische.
Heimat – nicht nur der Wohnort, der kann sich verändern. Über die Jahre vielleicht sehr oft, kommt auf den gewählten Beruf und eventuell die Wanderlust an. Auch zu Hause ist keine gute Erklärung. Zu Hause kann man in seinem Haus oder Wohnung sein, die kann aber weit weg von der Heimat liegen. Daheim vielleicht? Nein, zu nahe an zu Hause, es fehlt ein bisschen, was die Heimat ausmacht, ist aber schon etwas näher dran. Vaterland vielleicht? Darunter verstehe ich die Nationalität, der Bundesadler auf dem Pass, den man am Flughafen vorzeigt, das Wort, das man auf Formularen einträgt: „Deutsch“. Schwarz-Rot-Gold bei Länderspielen. Leider haben die Nazis dieses ansonsten gute Wort verhunzt. Wer denkt nicht, wenn auch nur unterbewusst, an ein Kapitel unserer Geschichte, auf das wir lieber nicht stolz sind.
Als ich einmal gefragt wurde, was Heimat ist, musste ich erst einmal überlegen. Aber dann kam ich zu dem folgenden Schluss:
Heimat ist der Ort an dem das Herz daheim ist. Man kann hunderte oder tausende Kilometer weit weg wohnen, und vielleicht auch dort zu Hause sein, aber wenn man die Augen zumacht und zurückdenkt wo man hergekommen ist, dann kommt meist nur ein Ort vor das innere Auge. Meistens dort wo man aufgewachsen ist, es kann aber auch ein Ort sein, wo man einfach hingehört. Es ist nicht nur ein gewisses Dorf, Gegend oder Stadt, es ist viel mehr als nur eine Stecknadel auf einer Landkarte.
Heimat kann man nur beschreiben, wenn man viele „Zutaten“ zusammenmischt. Die Erinnerungen gehören dazu. Da, auf dieser Treppe bin ich gestürzt und habe mir das Knie aufgeschrammt. Der Baum, da sind wir mal Schlitten gefahren und haben uns den Kopf gestoßen, weil wir zu lenken vergessen haben. Die Bäckerei an der Ecke, Samstagsmorgens frische Brötchen kaufen, der Duft von frisch Gebackenem im kleinen Lädchen, und dann der Geschmack von herrlich-klebrigen Brötcheninnereien wenn es einem auf der Zunge zergeht. Die Frau in der Wohnung über uns, die den ganzen Tag nichts besseres zu tun hatte als sich aus dem Fenster zu hängen und die Leute zu beobachten. Der Hausmeister, der immer rumgemeckert hat, wenn wir auf der Wiese Fußball gespielt haben. Die Stadt, lange Einkaufsbummel. Hier, der zweite Laden von der Ecke, heute gibt es da nur noch billige Handys, aber früher war da ein schöner Kruschladen drin. Da konnte man nach der Schule ganz tolle Sachen drin finden. Das Federmäppchen, das ich damals gefunden habe, besitze ich heute noch. Der Klang der Kirchenglocken über dem Marktplatz. Oder der trockene Witz des Busfahrers, wenn ihm einer dumm gekommen ist und sich um die Fahrkarte stehlen wollte. Der Geschmack von Oma’s Geburtstagstorte als sie 80 geworden ist. Man könnte Erinnerungen eines ganzen Lebens erwähnen, wahrscheinlich sogar von mehreren Generationen.
Kein Wunder, daß man dieses Wort nicht richtig übersetzen kann. Na ja, vielleicht ist es besser so. Ja, vielleicht werden die Englischsprechenden dieser Erde am Ende unser Wort ein-englischen, wie sie das mit anderen Wörtern auch schon getan haben (z.B. Zeitgeist, Schadenfreude). Eventuell werde ich das nächste Mal, wenn mich einer fragt was Heimat ist, einfach den Kopf schütteln und mit einem weisen Lächeln antworten, „Das kann man nicht erklären, das muss man im Herzen haben“.
Was ist mit Dir? Wo ist Deine Heimat? Wenn Du die Augen zumachst und zurückdenkst, was siehst Du? Die Strände von Ostfriesland? Den Schwarzwald? Die Ufer des Rheins? Oder der Donau vielleicht? Rollende Hügel oder spitze Berge? Kuhwiesen oder Fabrikschornsteine? Trübe Tage mit Nieselregen oder hellen Sonnenschein?
Wenn Du mal ein Paar Minuten Zeit hast, vielleicht solltest Du mal wieder zurückkehren in Deine Heimat. Manche von Euch werden wohl mit einem Lächeln auf den Lippen die Augen wieder aufmachen. Aber manche von Euch sollten vielleicht lieber ein Taschentuch parat haben, besonders, wenn Deine Heimat nicht mehr steht, oder Du nie mehr zurückgehen kannst.
Für mich persönlich, Heimat ist ein Stück dessen, das mich der macht der ich bin. Ich kann in einem anderen Land wohnen, eine andere Sprache sprechen, und es dort sogar „zu Hause“ nennen, aber ich kann nie, und will nie vergessen, wo ich herkam. Es gibt mir Perspektive, und auch Halt, wie eine fest verwurzelte Eiche, die die Äste eben weit von sich gestreckt hat. Als junger Mensch, Heimat hatte etwas Verstaubtes, etwas das einen zurückhält, nicht in die große Welt entlässt. Aber als die Jährchen zusammenkamen, je kam die Realisation, das man ohne Heimat eigentlich niemand ist. Nicht wirklich. Ich bedauere die, die „Heimat“ hassen und sie so schnell wie möglich vergessen und verlassen wollen. Ist das nicht wie ein bisschen wie sich selbst hassen? Wäre es nicht besser, seiner Heimat zu vergeben, wenn die Kindheit wirklich so grauenvoll war? Ich denke, es könnte sein, daß man damit die eigenen Wurzeln heilt. Es könnte sogar sein, daß man mit heilen Wurzeln damit um so höher hinaus schießen kann.
Sollte man vielleicht mal drüber nachdenken…